Rappelsnut

Wandern, Punkrock und der ganze Rest

Das Weblog

  • Bent Out Of Shape: Old Rats On A New Ship

    Taufrisch und nigelnagelneu ist es noch, dieser erste Longplayer der Niederländer, der am vergangenen Freitag erschienen ist. Er lief hier am Wochenende (beinahe) in Endlosschleife und muss also gelobt werden, auf dass jedefrau und jedermann die frohe Kunde vernehmen mögen, dass Bent Out Of Shape mit Old Rats On A New Ship ein grandioses Debutalbum vorgelegt haben. Applaus dafür!

    Ich habe das im Oktober 2019 in Fryslân (Niederlande) gegründete Quartett bereits vor zwei Jahren, direkt nach dem Erscheinen der ersten 7” EP, lobend erwähnt. Thematisch bedient die Band das klassische Terrain: Working Class kompakt, die Szene an sich und auch der Rasenballsport. Auf Old Rats On A New Ship werden nun zehn neue Songs präsentiert, die ordentlich in die Beine gehen. Eingängig sind sie allesamt, die Melodien, energiegeladen und mit dem gehörigen Maß an Rotzigkeit versehen (den Opener sehen Sie hier im Video). Ich mag die Nachtigallstimme, und die fetten Chöre mag ich auch.

    Kurzum: Wir hören taufrischen, melodischen Streetpunk aus den Niederlanden, der besser nicht klingen könnte.

  • Im Konzert unter Tage: Strömkarlen

    Strömkarlen ist der Name eines Wassergeistes, der in den Flüssen Schwedens wohnt und mit den bezaubernden Klängen seiner Fiedel unbedarfte Wanderer in die Fluten lockt. Und nach eben diesem hat sich vor etwas mehr als 14 Jahren ein musizierendes Quartett aus Dresden benannt, welches sich über die Zeit um die Hege und Pflege des nordischen Folk verdient gemacht hat. Zuletzt fanden die Musiker in der Vertonung der gemeinhin als „Edda“ bekannten altisländischen Versdichtung über die Götter und Helden des Nordens ein ebenso inspirierendes wie anspruchsvolles Betätigungsfeld, das sie seither mit Kreativität, Hingabe und Erfolg „beackern“.

    Wir haben sie vor Jahren mehrfach live erleben dürfen (dazumal noch mit Stefan Johansson, der anno 2016 in seine Nordschwedische Heimat zurückgekehrt ist), und waren stets aufs Neue begeistert. Die oft mystisch getragene, bisweilen auch rhythmisch treibende Musik (wir lauschten der Geige, der Gitarre, der Flöte und der Nyckelharpa, dem Kontrabass und der Drehleier) fasziniert zur Gänze. Im Grunde ist es ein wohlgefälliges Gewand aus skandinavisch und keltisch geprägtem Folk, gelegentlich anklingenden Rockelementen, Klassik und Weltmusik, das unsere Ohren erfreut. Und die Texte, ganz wichtig, werden meist in altisländisch vorgetragen (oder in norwegisch, gestern zumindest in einem Song, es fiel mir sofort auf).

    Wir hatten also das ausgesprochene Vergnügen, die Band wieder einmal live erleben zu dürfen. Und das an einem ganz besonderen Ort – tief unten im Berge nämlich, direkt am unterirdischen See im Mutter-Gottes-Lager im Besucherbergwerk „Marie Louise Stolln“.

    Ich fasse mich kurz: Es war ein Fest für die Sinne. Die besondere, nach meinem Empfinden ausgezeichnete Akustik untertage, das sparsame Licht und die Herzlichkeit seitens der Veranstalter und natürlich der Musiker:innen machten diesen Abend zu etwas Außergewöhnlichem. Dem Vernehmen nach war es gar ein Jubiläum, sprich das 20. Konzert in Folge, an welchem wir teilhaben durften. Wir applaudierten lange und gern.


    PS: Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Umstand, dass sich im Anschluss an den Applaus alle bei der Kapelle mit dem gemeinsam gesungenen Steigerlied bedankten (wir waren im Bergwerk, Glück auf!), erwähnen sollte. Mal sehen, ich überlege noch.

  • Der Schlagzeuger von Zwitschermaschine: Rom

    Wir erinnern uns: Anno 1983 erschien in Westberlin eine Split-LP, die mit ihrem Aufdruck „DDR von unten – Schallplatte mit 2 Gruppen und Textbeilage“ Aufmerksamkeit erregte. Zwei Bands aus dem musikalischen Untergrund waren auf dieser vertreten: Schleimkeim aus Thüringen (erst am vergangenen Wochenende gab es ein umjubeltes Konzert in Dresden) und die Vierte Wurzel aus Zwitschermaschine (später kurz Zwitschermaschine) aus Dresden.

    Letztere entstand im Dunstkreis der Dresdner Kunsthochschule und traf mit ihren avantgardistischen Songexperimenten, sprich einem gelungenen Mix von anspruchsvoller Musik und Drei-Akkorde-Punkrock, alsbald den Geschmack des Publikums. Über die Jahre ihres Bestehens konnte die Band mit gleich drei solistisch Singenden punkten: Cornelia Schleime (Malerin und Dichterin), Michael Rom (Dichter) und Sascha Anderson (Dichter und Anfang der 90er enttarnter IM). Auf dem Höhepunkt ihrer Popularität, anno 1983, löste sich die Kapelle auf.

    Der Poet Michael Rom (er wurde 1991 bei einem Raubüberfall vom Täter erschossen) steht nun im Fokus der Aufmerksamkeit. Sein literarischer Nachlass galt über Jahre als verschollen, bis der damalige Schlagzeuger der Band, Wolfgang Grossmann, begann, intensiv nach den Texten zu suchen. Die Ergebnisse seiner Recherche veröffentlichte er dann 2018 in einer Text-Sammlung unter dem Titel „will nicht zu den großohrigen elefanten“.

    Im Zuge dessen kam der naheliegende Wunsch auf, auch das musikalische Erbe der Band aufleben zu lassen. Grossman aktivierte seine eigenen Erinnerungen und produzierte mit einer Handvoll handverlesener Musiker:innen (neben anderen auch Peter Hein von den Fehlfarben) ein Album, auf dem den die alten Songs mit den Texten von Michael Rom neu interpretiert wurden. Und das Projekt bekam einen Namen: Der Schlagzeuger von Zwitschermaschine. Unter diesem hat es nun Bestand und spielt gelegentliche Konzerte, von denen wir gestern eines besuchen konnten (veranstaltet vom Societaetstheater, in der ehemaligen Bezirksverwaltung der Staatssicherheit).

    ich fasse mich kurz: Das Konzert fand mit dem sehr gut besuchten alten Stasi-Saal in einem ungewohnten, aber durchaus passenden Ambiente statt. Mit einer furios aufspielenden Kapelle, einer erfrischenden Support-Band (den Wave Punx) und einem Publikum, das, gleich uns, begeistert applaudierte.

    Es war ein Art-Punk-Auftritt der Extraklasse.


    Weiterführende Verweise:

  • Sparrow 68: Singin‘ On The Streets, Sounds Of Oi!

    Punkrock in Mexiko? Das geht? Na klar doch. Und wie schön das geht, zeigt uns Sparrow 68 aus Mexiko-City. Das sympathische Trio hat sich ganz und gar der Pflege des klassischen Oi! verschrieben. Die Eckdaten liefern die Altvorderen von der Insel, also Bands wie THE BUSINESS, COCK SPARRER oder SECTION 5, welche mit einer feinen Prise lokalen Charmes und Temperaments gewürzt werden. Im Ergebnis hören wir dann einen zeitlos klassischen Sound, der allem entspricht, was die Urväter des Oi!-Punk einst vorgelegt haben. Schauen Sie sich bitte dieses Video an – man könnte meinen, die Mugge wäre 35 Jahre alt …

    Veröffentlicht wurde bis dato leider nur ein Album (Singin​´​on the streets , sounds of oi!, erschienen im Januar 2019), das in mehreren Auflagen produziert wurde und hiermit gelobt wird. Neun Songs sind darauf enthalten (von denen zwei in Spanisch gesungen werden), allesamt eingängige Melodien im sportlichen Midtempo, die gut zum Mitsingen geeignet sind (Ausdruckstanz geht auch). Einen Favoriten zu benennen fällt mir, ob des zur Gänze guten Albums, schwer – Glory Nights und das im Video zu sehende Carry On sind aber als Anspieltipps gut geeignet.

    Bei Interesse: Reinhören könnt ihr bei Bandcamp oder Spotify.

  • Violent Way: Bow to None

    Violent Way ist eine vielversprechende Oi Punk Band aus Buffalo (New York, USA). Sie existiert erst seit etwa zwei Jahren – zuvor spielte das Trio in einer Oi! Band namens The Elite, die 2018 gegründet wurde (wie üblich werden auch hier noch andere Band-Projekte parallel betrieben). Das überschaubare Portfolio umfasste bis vor Kurzem lediglich eine erste EP und eine Split (mit Béton Armé, einer kanadischen Band aus Quebec, Montreal), wurde aber unlängst um den ersten, gefälligen Longplayer erweitert.

    Bow to None (zehn Titel, der Titelsong darf hier im Video angeschaut werden) ist am 22. Juli veröffentlicht worden. Stilistisch besehen setzt die Kapelle auf satte und treibende Gitarrenwände – die Musiker orientieren sich an früheren und heutigen Oi! Bands (Combat 84, The Templars, The Last Resort und andere). Die dazugehörigen Texte sind wenig erheiternd und schildern zum Großteil eigene Erfahrungen – Konflikte, Überarbeitung und Unterbezahlung sowie gescheiterte persönliche Beziehungen werden thematisiert.

    My intention with Violent Way from the start was to be true to this subculture that I love and to stand out among the rest. No bullshit, no gimmicks — real Skinhead shit.

    Nick Terlecky, No Echo 3.2.2021

    Ich meine: Das Reinhören lohnt sich (insbesondere natürlich für solch Menschen, die einen kompromisslosen Streetpunk mögen). Alle anderen nutzen vielleicht die Gelegenheit und schauen einmal über den Tellerrand.

  • The Prowlers: Prowl Around

    Rock ’n‘ Roll tut not und deshalb sei hiermit auf eine weitere, bemerkenswerte Band verwiesen, die definitiv mehr Aufmerksamkeit, sprich über ihre Nische heraus, verdient hat. The Prowlers (Facebook) aus Kanada sind solch eine Band. Das Quartett aus Montreal ist seit 1996 aktiv und absolvierte Ende 1998 die ersten Auftritte vor einem gewiß begeisterten Publikum. Seither wurden, neben diversen Singles und EPs, ganze neun Alben produziert. Das jüngste derselben, „Prowl Around“ (elf Titel, 32 Minuten), erschien erst im Februar dieses Jahres.

    Die Kapelle hat sich mit Herz und Seele dem klassischen Oi! und Streetpunk verschrieben. Im Auftreten und ihren Texten gibt sie sich kompromisslos und formuliert vehement antifaschistische und antirassistische Positionen. Über die Jahre kam es zu wechselnden Besetzungen (wobei, dem Vernehmen nach, wohl niemand je im Streit gegangen ist) – momentan sind noch zwei Gründungsmitglieder dabei.

    In diesen Wochen ist die Band auf Tour und hat bereits bzw. wird noch den einen oder anderen Termin in Deutschland nutzen, um interessierten Menschen zum Tanz aufzuspielen (hier können Sie einen aktuellen Mitschnitt sehen).

    Ich meine, ihr solltet davon gehört haben.

  • Defiant State: Broken Hearts, Broken Bones

    Ich mach dann mal weiter. Mit einer weiteren diesen kleinen und feinen Bands, die zu einhundert Prozent den Punkrock feiern. Und deshalb hier erwähnt werden müssen …

    Defiant State (Bandcamp) ist solch eine Kapelle. Sie kommt aus Somerset, Kentucky, und hat sich anno 2019 gegründet. In musikalischer Hinsicht orientiert sich das Quartett an der Pflege des klassischen Punkrocks – traditioneller Oi!, 77 Punk und Oldschool Hardcore werden großgeschrieben. Was da abgeht, dürfte klar sein: Stark verzerrte Gitarren, das immer treibende Schlagzeug und eine heisere Stimme – der Sound kommt straight, räudig und dreckig daher und geht direkt in die Ohren (hier zum Nachhören).

    Brocken Hearts, Broken Bones ist das Debütalbum der Band und 2020 erschienen. Wir hören 12 Songs mit einer Spielzeit von 30 Minuten, von denen nur einer länger als drei Minuten ist.

    Ich mag diese Songs, ich mag diese Platte, ich mag die Band und bin gespannt auf das, was da (hoffentlich) noch kommen wird. Oi!

  • The Hallingtons: Hop Til‘ You Drop

    Chucks, Lederjacke und One Two Three FourThe Hallingtons kommen aus Oslo und lieben die Ramones. Das ist auch gut so und das haben wir gemeinsam. Die Männer spielen bereits seit mehr als zehn Jahren zusammen, haben aber erst kürzlich ihr erstes Full-Length Album veröffentlicht – es ist also an der Zeit für ein kurzes Review.

    Gegründet hat sich die Kapelle im Jahr 2010. In der aktuellen Besetzung (Tor am Schlagzeug & Gesang), Jørgen (Gitarre & Gesang) und Mikel (Bass & Gesang) ist sie seit 2012 unterwegs. Die Musik des Trios ist natürlich stark von den Ramones inspiriert. Dazu kommen die Einflüsse anderer Bands, die die Pop-Punk-Szene der 90er Jahre geprägt haben (zum Beispiel The Lillingtons, The Riverdales, The Queers).

    Mit Hop Til‘ You Drop ist nun, nach bisher drei veröffentlichten EPs, der erste Longplayer erschienen (die Video-Single Business Boy sehen Sie hier). Wir hören 13 knackige Titel, von denen es nur einer – in bester 3-Akkorde-Punkrock-Tradition – über die zweieinhalb Minuten schafft. Das passt zum Konzept im Ganzen: Jede Menge gute Laune trifft auf nette Melodien und Old School Pop-Punk – was will man mehr in diesen finsteren Tagen, die die unseren sind?

    Ich mag das sehr und applaudiere.

  • Samstag und Sonntag

    Zuerst der Samstag

    Wir haben ein Konzert besucht. Hurra! Endlich wieder einmal handgemachte Musik, endlich wieder Rock ’n‘ Roll – laut und direkt auf die Ohren.

    Evil Conduct spielte in Dresden. Die Karten habe ich vor zweieinhalb Jahren gekauft. Eigentlich sollte das Konzert im März 2020 stattfinden, wurde aber – Corona bedingt – mehrmals verschoben. Vor drei Wochen erfuhr ich eher zufällig, daß es nun nicht im Rosis, sondern im Puschkin stattfinden sollte. Ich kannte den Club bisher noch nicht. Aber es passte, das räudige Ambiente machte die Sache rund. Und die Leute am Tresen waren nett.

    Das Konzert war dann Spitze. Der Saal war voll, der Sound super und das Trio gut drauf. Es wurde ordentlich gepogt (wir sind inzwischen zu alt dafür und wippen in Stehschuhen am Rande), ab und an kam ein Flugbier geflogen. Nach insgesamt einer Stunde und fünfzehn Minuten war dann Schluss (mit Zugabe). Gespielt wurde zuvor alles, von anno dazumal bis heute – die bekannten Hymnen inklusive. Es war ein Fest für die Sinne, zumindest für solch Menschen, die am Streetpunk Gefallen finden. Evil Conduct sind diesbezüglich eine Institution. Schlagzeug, Bass, Gitarre – rotzig und ehrlich – mehr braucht es einfach nicht (okay, vielleicht noch Fred Perry, wat mutt, dat mutt).

    Den Namen der Vorband, die im Vorfeld mit diversen Klassikern Lust auf mehr machte, habe ich – ob der Akustik – nicht verstanden. Ich hätte sie gerne hier lobend erwähnt. Aber gut …


    Und dann der Sonntag

    Es wurde angeradelt. Bei Sonne satt. Auf dem Elberadweg und zum „Hermann“ in Rathen (die Fischsemmeln!). Alles ganz gemütlich und nur zum Genuss – wir haben ja Sonntag. Also ein Sonnenbad auf der Promenade und dem Treiben auf dem Fluss zusehen. Die Fähre fuhr hin und her und her und hin. Und die Menschen kamen und gingen. Dabei: viele Touristen aus dem Osten Europas.

    Einziges Manko: Der Wind blies kalt und heftig. Und auch der kam von Osten.

  • Fatal Blow: Black Gold

    Ich mach mal weiter mit ein wenig Rock ’n‘ Roll … Trotz alledem.

    Mit Fatal Blow beispielsweise, einer bemerkenswerten Oi!-Punk-Band aus South Wales. Die Kapelle war eigentlich ein Sideproject von The Oppressed (einer der ersten antifaschistischen Skinhead-Bands in Europa), das nach deren Auflösung in 2016 glücklicherweise nicht in der Versenkung verschwand und inzwischen ein erfreuliches Eigenleben führt.

    Das Portfolio des fleißigen Trios umfasst inzwischen fünf ordentliche Alben, deren letztes am 19. November des vergangenen Jahres veröffentlicht wurde. Zur Musik: Sie ist stark von den klassischen Oi! Bands der 70er und 80er Jahre beeinflusst. Die Texte der Band wenden sich gegen die etablierte Elite. Working Class und Antifaschismus werden groß geschrieben, dazu wird die Skinhead-Kultur gelobt und gefeiert.

    Was schön ist: Mit dem neuen Album Black Gold (der Titelsong hier im Video) blieb sich Fatal Blow selbst treu – wir hören den gewohnt gradlinigen, immer ehrlichen Oi! von der Insel. Keine Experimente! Alles sauber, alles geradlinig und ohne Schnickschnack.

    Ich mag das sehr.