Der Sound ist lärmend und bedrückend, die Leinwand bleibt schwarz. Für einen quälend langen Moment, dann nähert sich erlösendes Vogelgezwitscher aus der Ferne. Als es angelangt ist, öffnet sich der Blick auf eine idyllische Badeszene. Bewaldete Ufer im Hügelland, die Wasseroberfläche glitzernd im Sonnenschein, Kinderstimmen, die Familie im Gras. Der Vater steht am Wasser, atmet durch und genießt den Moment zur Gänze. Sein Name ist Rudolf Höss, und er ist der KZ-Kommandant von Auschwitz.
Christian Friedel spielt diesen Rudolf Höss, Sandra Hüller spielt seine Ehefrau Hedwig, und beide spielen ihre Rollen bravourös. „The Zone of Interest“ ist ein herausragender und äußerst ungewöhnlicher Film. Regisseur Jonathan Glazer setzte bei der Umsetzung auf einen eher ungewohnten Ansatz: Die Schauspielerinnen konnten weitgehend improvisieren, es gab keine zusätzliche Beleuchtung, dafür aber zuvor installierte und ferngesteuerte Kameras in den Zimmern des monatelang rekonstruierten Wohnhauses der Familie Höß (ein verlassenes Haus hinter einer Lagermauer des KZs).
Die Dreharbeiten fanden an Originalschauplätzen am KZ Auschwitz statt. Auf das Zeigen von Gräueltaten im Lager selbst wird komplett verzichtet, statt dessen fokussiert sich der Film konsequent auf die erschreckend abstoßende Lebenswelt des SS-Kommandanten und seiner Familie – in unmittelbarer Nähe zu Auschwitz. Das Grauen beschränkt sich allein auf die akustische Wahrnehmung. Immer wieder sind Schüsse, Hundegebell, das Geschrei von Wachpersonal oder das Wehklagen von Gefangenen zu hören. Gelegentlich erblickt man die Flammen und dicken Rauch aus den Schornsteinen der Krematorien. Aber schauen Sie selbst.
„The Zone of Interest“ ist für mich ein beklemmendes und zutiefst verstörendes Filmerlebnis, das die viel zitierte Banalität des Bösen auf eine ungewohnte und nur schwer verdauliche, subtile Weise aufzeigt. Es ist ein Schlag in die Magengrube. Ich rate trotz dessen und gerade deshalb dazu, ins Kino zu gehen. Sie sehen ein Meisterwerk der Filmgeschichte.
The Zone of Interest
Drama/Biografie, Großbritannien/Polen/USA 2023, 105 min
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