Wir brauchen mehr Punkrock im Advent – um dem allgegenwärtigen und zunehmend unerträglichen Weihnachts-Gedudel zu entfliehen. Und wenn es nur für diesen einen schönen Abend ist … SLIME und DRITTE WAHL gastierten gestern im Alten Schlachthof zu Dresden und zelebrierten gemeinsam eine Punkrock-Messe der Extraklasse. Uns und den vielen Zuhörer*innen wurde wahrlich warm ums Herz.
Beide Kapellen sind gewissermaßen Punkrock-Urgesteine, SLIME (Hamburg) spielen seit 1979, DRITTE WAHL (Rostock) traten anno 1988 das erste Mal auf. Die Bands sind nach wie vor gut gebucht und allenthalben auf Tour, um auf den großen und kleinen Festivals ihre treue und stetig wachsende Fangemeinde mit ihrem (überwiegend deutschsprachigen) Liedgut zu erfreuen.
Apropos Liedgut: die Kapellen haben in diesem Jahr jede ein neues Album produziert, das jeweils als ein großer Wurf betrachtet werden kann. „Hier und jetzt“ ist das erste SLIME-Album mit neuen Liedern seit 1994 – musikalisch das bislang beste Album der Punklegenden, die sich zunehmend – Gott sei es gedankt – von den mitunter etwas flachen Parolen der vergangenen Jahrzehnte abwenden.
Das neue und zehnte Album von DRITTE WAHL heißt schlicht „10“ und erreichte immerhin Platz 12 der deutschen Albencharts, ein beachtlicher Erfolg für eine Punkrock-Band. Es zelebriert modernen Punkrock vom Allerfeinsten, facettenreich und klug arrangiert – Hut ab dafür.
Das Konzert der beiden Kapellen gestern war – um es in einem Wort zu sagen – bonfortionös. SLIME war schon sehr gut (und für mich das erste Mal Live), aber wie Dritte WAHL dann den rappelvollen und seit Wochen ausverkauften Saal rockten – das war unglaublich. Die Wucht der Lieder, das mit einem feinen Hauch von Riefenstahlscher Ästhetik geprägte Bühnenbild und der gelebte Spaß am Musizieren (gut gefüllte Konfettikanonen inklusive) erzeugten gewiß nicht nur bei mir ein lange nachhallendes Erlebnis. Ich habe die Kapelle zuletzt Anfang der 90er gesehen, irgendwann in der legendären Kuppelhalle zu Tharandt vor fünfzig Leuten, und bin freudig überrascht ob ihrer Entwicklung.
Kurzum: Es braucht mehr Punkrock im Advent – um dem allgegenwärtigen und schon immer unerträglichen Heimat-Gedudel zu entfliehen. Und wenn es nur für diesen einen schönen Abend war …
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