Rappelsnut

Wandern, Punkrock und der ganze Rest dazu

Josef Formánek: Die Wahrheit sagen

Schon die Umstände seiner Geburt sind schwierig: Bernhard Mares erblickt in einer Straßenbahn das Licht der Welt und wird – als ungeliebtes Ergebnis einer flüchtigen Begegnung einer Silvesternacht – danach vor einer Kirche abgelegt. Der Pfarrer übergibt ihn kurzer Hand einer das Kind liebenden Pflegemutter, die es nach wenigen Jahren jedoch wieder hergeben muss – der Junge kommt ins Waisenhaus. Mit 16 Jahren verlässt er dieses, beginnt eine Bäckerlehre, findet dann jedoch keine Arbeit. Schließlich landet er – allein gelassen, naiv und mit nichts anderem als dem Abenteuer und der großen weiten Welt im Kopf – bei der SS.

Sein Leben nimmt fortan wunderliche, im Ergebnis jedoch bittere Wendungen. Bernhard Mares überlebt den Krieg, hat als SS-Mann jedoch Gräueltaten miterleben müssen und traf in Mauthausen auf die Liebe seines Lebens. Nach Kriegsende landet er das erste Mal im Gefängnis, wird überraschend entlassen und wendet sich dann der Arbeit in der kommunistischen Partei zu. Er wird Funktionär, fällt im Zuge der Säuberungen jedoch in Ungnade und landet auf Grund seiner Mitgliedschaft in der SS alsbald wieder im (tschechischen) Zuchthaus. Er flieht, wird wieder gefasst und verbringt letztlich etwa 20 Jahre hinter Gittern. Irgendwann wird der Mann als letzter deutscher Kriegsgefangener entlassen, er darf die Tschechoslowakei verlassen und findet in Hamburg seine neue Heimat. Spohie, seine große Liebe, begleitet ihn durch all die Jahre – zuletzt finden sie jedoch nie wirklich zueinander.

Der Weg ohne Wiederkehr ist gepflastert mit den Spatzenhirnen jener, die es gut gemeint haben.

Der Autor Josef Formánek erzählt auf packende Weise die bittere Lebensgeschichte dieses Bernhard Mares, die auch eine wahre Geschichte ist: der Mann hieß in Wirklichkeit Waldemar Solar und starb 2011 mit 87 Jahren. Der Untertitel des Romans „Brutaler Roman über die Liebe zum Leben“ ist Programm – es ist eine schonungslose, oft brutale und tieftraurige Geschichte, also alles andere als leichte Kost. Was mich manchmal (nur ein wenig) stört ist die parallel zu Bernhard Mares erzählte (hier vergleichsweise belanglose) Geschichte des Autors (der Mares am Ende seines Lebens zufällig begegnet und beschließt, dessen ungewöhnliches Leben aufzuschreiben). Davon abgesehen ist „Die Wahrheit sagen“ (2008 in Tschechien ein Bestseller!) im Fazit ein faszinierender, fesselnder und großer Roman, der hiermit ausdrücklich zur Lektüre empfohlen ist.


Josef Formánek
Die Wahrheit sagen
Brutaler Roman über die Liebe zum Leben

Erschienen am 4. April 2016
Hardcover, 477 Seiten

Gekko World
ISBN: 978-80-906354-0-1
€ 23,-


Vielen Dank für das Rezensionsexemplar an den Verlag und Irine Beridze von Literaturtest.

Symbolbild: Annelies Geneyn.

2 Antworten zu „Josef Formánek: Die Wahrheit sagen“

  1. Mir hat das Einbringen der Geschichte des Autors gerade gut gefallen. Ansonsten fand ich es auch brutal traurig.

    1. Ich fand die ständigen Unterbrechungen etwas nervig, der Faden wurde, kaum aufgenommen, immer wieder unterbrochen. Die zweite Geschichte okay, aber zu oft aufgegriffen und wohl auch zu umfangreich erzählt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert