Rappelsnut

Wandern, Punkrock und der ganze Rest

Jaroslav Rudis: Nationalstraße

Eine Spelunke in einer Plattenbausiedlung, irgendwo in der betonierten Peripherie der Großstadt. Am Tisch einer dieser Kneipentypen, die immer dort sitzen, jeden Tag zum Feierabend. Der (durchaus belesene) Stammtischphilosoph (und Raufbold!) in seinem Element. Er weiß, wie das Leben läuft. Ungefragte Ratschläge, Flüche auf Gott und die ganze Welt neben den immer gleichen Floskeln. Die deprimierenden Details einer kaputten Biographie gibt es gratis dazu.

Daraus kann man eine Geschichte machen, vielleicht auch einen Roman – Jaroslav Rudiš ist dieses im Fazit gelungen. Das Geschehen in „Nationalstraße“ beruht auf der tatsächlichen Begegnung des Autors mit einer realen Person. In der Prager Nordstadt haben sie sich getroffen und miteinander getrunken. Die Figur mit ihren Parolen und Phrasen hat dann Eingang gefunden in diesen Roman, der sich mit Bravour der „tschechischen Seele“ widmet und von absurder Einsamkeit, Wut und Angst neben einem unbändigen Hass auf alles erzählt.

Man nennt mich Vandam. Ich wohne in der Betonburg hier. All das Drumherum gab es früher nicht. Nur Wald und Sumpf und Wölfe und Sumpf und Wald. Daher die Mücken. In letzter Zeit werden sie immer mehr. Das ist kein Witz. Manchmal spüre ich, wie der Wald und der Sumpf sich alles zurückholen.

Ich habe es ja schon einmal gesagt, und ich wiederhole mich hier gerne: der Mann hat ein Faible für skurrile Protagonisten, und er versteht es auf wunderbare Weise, deren Geschichten einzufangen und zu erzählen. Der traurige Charme einer Prager Plattenbausiedlung und das erschreckend horrende Portrait eines ihrer Bewohner – das ist die Essenz des neuen Romans von Jaroslav Rudiš, der seit kurzem in den Auslagen gut sortierter Buchhandlungen zu finden ist.

Ihr solltet ihn gelesen haben.


Nachtrag 05.08.16:

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