Rappelsnut

Wandern, Punkrock und der ganze Rest

Das Verschwinden des Philip S.

Philip Werner Sauber, 1947 in Zürich geboren, kam 1967 nach Berlin und begann ein Studium an der 1966 gegründeten Filmakademie. Dort lernt er Ulrike Edschmid kennen, verliebt sich und die beiden werden ein Paar. Nach einem ersten experimentiellen Film gerät Philip S. zunehmend in den Strudel der politischen Ereignisse: im Sommer 1968 – während der Notstandsgesetzgebung – wird auch die Filmakademie besetzt. Im Zuge der Auseinandersetzungen mit dem Direktorium werden im Herbst 1968 schließlich 18 Studenten relegiert – Philip S. ist einer von ihnen (ebenso wie Holger Meins).

Es folgten Jahre intensiver politischer Diskussionen und Projekte. Das Paar wohnte in der Kommune 2 in der ehemaligen Fabriketage der Schönberger Grunewaldstraße 88 und beteiligte sich aktiv an der Berliner Kinderladenbewegung. Nach dem gewonnenen Musterprozess gegen die Filmakademie erwarb Philip von der gezahlten Entschädigung eine Halbzoll-Video-Anlage. Somit entstand eine kleine Medienwerkstatt, alternative Filmprojekte und die Herausgabe einer Untergrundzeitung standen auf der Agenda. Im Zuge der damaligen, weithin bekannten Ereignisse gerieten auch die Bewohner_innen der Grunewaldstraße zunehmend in den Fokus der staatlichen Behörden – regelmäßige Hausdurchsuchungen seitens der Berliner Polizei standen irgendwann auf der Tagesordnung. Schließlich kam es zu ersten willkürlichen Verhaftungen, darunter auch Philip S. und Ulrike E.

Was für Philip S. folgt, wird gemeinhin als zunehmende Radikalisierung beschrieben. Das Paar trennt sich und geht verschiedene Wege. Ulrike entscheidet sich für das Leben mit ihrem Sohn, Philip wählt den Weg in den bewaffneten, politischen Untergrund. Im Mai 1975 wird Philip S. bei einem Schusswechsel mit der Polizei auf einem Kölner Parkplatz getötet.

Ulrike Edschmid hat mit diesem autobiografischen Roman eine tief bewegende Geschichte geschrieben. Schritt um Schritt versucht sie die zunehmende Entfremdung zwischen sich und Philip S. zu erfassen, und trauert dabei um einen Menschen, der nach beinahe 40 Jahren in vergilbten Klischees und alten Fahndungsfotos zu Unrecht vergessen erscheint.

Unbedingte Leseempfehlung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert