Rappelsnut

Wandern, Punkrock und der ganze Rest

Christiansø und Frederiksø

Ein Ausflug zu den Erbseninseln. Also die drei kleinen Inseln – etwa eine Bootsstunde östlich von Bornholm. Christiansø und Frederiksø sind bewohnt (knapp 100 Menschen leben dort), Græsholm ist ein unbewohntes Vogelschutzreservat. Für Bornholm-Urlauber ist der Besuch ein Muss. Wer kein eigenes Boot dabei hat fährt mit dem Schiff von Gudhjem. Pro Nase werden 220 dänische Kronen fällig (ca. 30 Euro für die Hin- und Rückfahrt).

Beim Ablegen des Schiffes, das einmal täglich fährt, singt ein Chor zum Abschied. Das ist immer so. Alle Menschen freuen sich und winken hin und her. Dann geht es hinaus auf die Ostsee. Meine Freundin betrachtet sorgenvoll die Schaumkämme auf den kurzen Wellen. Ich beruhige sie, spinne ein Garn von vergangenen Sturmfahrten in der Biskaya und genieße wie gehabt jeden Moment auf See. Sie wirkt nervös. Eine knappe Stunde später: Land in Sicht!

Ohne besondere Vorkommnisse erreichen wir nach einer knappen Stunde den schützenden Hafen der Erbseninseln. Schnell verlassen die Reisenden das Schiff. Einige haben Koffer dabei, um zu bleiben. Alle anderen haben exakt drei Stunden bis zur Rückfahrt. Touristenalarm! Die Insel ist im Nu eingenommen und unter Kontrolle. Der Versuch, mich durch wenig auffallendes Verhalten als Einheimischer auszugeben, scheitert. Mit Rucksack und Kamera geht das gar nicht. Ich tue fortan so, als würde ich mich nicht kennen. Bastionen, Kanonen, geduckte Häuser und Trockenmauern. Alles von anno dazumal. Christiansø war lange Zeit Festungsanlage. 1863 verließ das Militär die Insel, die heute noch ein Abbild der damaligen Zeit ist.

Wenn man so will, ein mit Leben erfülltes Freilichtmuseum. Das gesamte Inselgebiet steht unter Natur- und Denkmalschutz. Es gibt eine Schule, eine Post, eine Bibliothek, ein Museum, ein Versammlungshaus und natürlich eine Kirche und einen Leuchtturm. Und Christiansø hat Polizei. Ein Gasthaus findet sich, dazu auch ein winziger Campingplatz. Spontan geht dort allerdings gar nichts, man muss beizeiten reservieren. Über den Hafen spannt sich eine interessante Fußgängerbrücke, die Christiansø mit Frederiksø verbindet. Sie ist nicht breit und die Frauen bekommen Angst, wenn man versucht, sie zum Schwingen zu bringen. Das ist allerdings sehr mühsam.

Jedes Haus hat seinen Garten, alles gedeiht prächtig. Die Erbseninseln gelten als der wärmste und sonnenreichste Ort Dänemarks – daher finden sich auch Feigen, Walnuß- und Maulbeerbäume. Es gibt einige Wasserlöcher und mehr Lurche, als gedacht. Katzen und Hunde gibt es nicht, die haben Inselverbot. Zwei Stunden brauchten wir, um beileibe nicht alles, aber den Großteil der beiden Inseln zu erkunden. Ein Gefängnis gibt es übrigens auch. Dort kann man heute Quartier nehmen oder die Zelle besichtigen, in welcher Jacob Jacobsen Dampe einst 20 Jahre Festungshaft absaß. Der Mann trat seinerzeit für die Abschaffung des Absolutismus und die Einführung einer freien Verfassung ein.

Frederiksø gefiel uns besser, es wirkt offen und freundlicher. Historisch interessant: Christiansø wurde anno 1940 auch von der deutschen Wehrmacht besetzt. Die Besatzung bestand aus einem Unteroffizier und drei Soldaten. Diese konnte allerdings nicht verhindern, dass die Inseln während des Krieges zu einem Stützpunkt für (illegale) Transporte von Bornholm nach Schweden wurde.

Das Wetter war weniger schön, ein strammer Sturmwind blies graue Wolken en masse über das Eiland. Die Menschen, die auf der Insel wohnen, haben sich an die tägliche Drei-Stunden-Heimsuchung gewöhnt. Sie lassen die Besucher gewähren und zeigen Humor. Auf Frederiksø gibt es einen kleinen Fischverarbeitungsbetrieb, der sogenannte Christiansø-Heringe (Christiansø-sild) in Kräuterlake einlegt. Ich mag eingelegte Heringe nur manchmal und esse statt dessen eine halbe Rolle Haferkekse auf einer Bank am Hafen.

14.00 Uhr, alle Mann an Bord. Wir legen ab, und viele Menschen winken. Es wird gewunken und gewunken. Nicht alle sind Tagesgäste. Ich höre zu spät auf zu winken und habe deshalb verpasst, die sich sonnende, große Kegelrobbe auf dem Felsen vor Græsholm zu fotografieren. Die Insulaner atmen auf, verlassen ihre Häuser und grüßen freudig das auslaufende Schiff.

Die Rückfahrt. Eine knappe Stunde bis Gudhjem. Die Wolkendecke reißt auf und die Sonne kommt endgültig heraus. Und die See legt ein wenig zu, das Schiff stampft fröhlich gegen dieselbe an und gelegentlich schafft es die Gischt gar bis ans Oberdeck. Eine Dame, die zuvor schon durch lautes und affektiertes Lachen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zog, benutzt eine der bereitliegenden Papiertüten. Vorne natürlich und auch noch an Luv. Wir nehmen Deckung – alles geht gut, Glück gehabt. Die affektierte Dame lacht nicht mehr. Sie geniert sich jetzt und alle tun so, als wäre nichts gewesen.

Weitere Vorfälle gab es nicht. Für eine allgemeines Unwohlsein ist eine Stunde Überfahrt schlicht zu kurz.

Im Ganzen war es ein großartiger Tag.

  1. Avatar von apfelmann70
    apfelmann70

    Da hat Dir wohl der stramme Sturmwind die Farbe aus den Fotos gepustet. Wirklich interessant die Inseln. Einen schönen Urlaub noch.

  2. Avatar von Rappel

    Ihr wisst doch: bei schlechten Lichtverhältnissen lege ich gerne einen Schwarz-Weiss-Film ein. Und vielen Dank, ein paar Tage sind es noch.

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